Flussgott Viadrus Güstebieser Loose
Im Deichvorland bei Güstebieser Loose steht eine große Skulptur des Flussgottes Viadrus. Sie begrüßt und verabschiedet Reisende, die den Fluss mit der deutsch-polnischen Fähre überqueren. Die Skulptur ist vom Bildhauer Horst Engelhardt (1951-2014) entworfen worden und steht hier als Symbol der neuen europäischen Oder.
»Vivat Viadrus!«
Mit der Fähre können Sie Ihren Ausflug auf der polnischen Seite fortführen. Im Landschaftspark bei Cedynia haben Sie wunderschöne Aussichtspunkte auf das Odertal. Ein Museum in Gozdowice informiert über die Operationen der polnischen und der russischen Armee im Frühjahr 1945.
Flussgott Viadrus Güstebieser Loose
An der Fähre Bez Granic Gozdowice – Güstebieser Loose
16259 Neulewin OT Güstebieser Loose
Öffnungszeiten
Skulptur ist frei zugänglich
Kultur & Gastro
Im Winter hütet der Flussgott Gänse
Ein Reisebericht von Michael Anker
Episode 10
Die Landschaft entlang der Oder spielt im Winter ihre ganz besonderen Reize aus. Das Land wirkt noch weiter, noch karger und noch unbewohnter. Liegt auf den nackten Feldern zudem Schnee, verschmilzt die Weite mit dem Himmel und der Horizont verschwimmt. Nach einer längeren Periode frostiger Nächte und Tage bildet sich an der Flusssohle der Oder Eis. Steigen die Eisschollen zur Wasseroberfläche auf, bieten sie ein besonderes Naturschauspiel. Sich im Kreis drehend tanzen die „Brieger Gänse“ stromabwärts. Stromab aus dem Schlesischen kam wohl auch der Name der runden Eisschollen. Geprägt wurde er in der alten deutschen Oderstadt Brieg, die heute den polnischen Namen Brzeg trägt. Das winterliche Schauspiel lässt sich gut am Fähranleger in Güstebieser Loose beobachten. Dort, wo Viadrus über der Szene thront und dem Knacken und Knarzen der sich aneinander reibenden Eisschollen lauscht. Im Sommer hingegen wacht der rote Flussgott über der Oder-Fähre „Bez Granic“, die über den Grenzfluss ins polnische Goszdowice (deutsch Güstebiese) pendelt. Die Idee zu dieser mythologischen Figur geht auf eine Initiative des Bad Freienwalder Augenarztes Ernst-Otto Denk zurück. Als Kulturerbe-Ort wurde der Wächter über den Strom 2018 ausgewiesen.
Seit 2009 steht die drei Meter hohe und fünf Meter breite, von Bildhauer Horst Engelhardt entworfene, Stahlblechskulptur an der Oder. Ursprünglich sollten dem Flussgott zwei Frauen zur Seite stehen, eine gelbe Oderfürstin auf der polnischen Seite der Fähre und eine blaue Odernixe an der Kreuzung zwischen Neulewin und Altlewin. Von diesem mythologischen Trio ist nur Viadrus realisiert worden. Die Aufstellung im Überflutungsgebiet der Oder wurde von einigen bürokratischen Hürden begleitet, erzählt Heimatforscher Ernst-Otto Denk. Nach den ersten Ideen sollte die Skulptur scherenschnittartig auf der Oderwiese stehen und somit den jahreszeitlichen Hochwassern ausgesetzt sein. Es folgte der amtsseitige Vorschlag Viadrus auf den vorhandenen kleinen Hügel zu stellen. Horst Engelhardt legte noch einmal Hand an seinen Entwurf und stabilisierte ihn mit einer Querfigur. In der Oderberger Stahlbau GmbH wurden die zwei Teile aus 15 mm dickem Schiffsstahl herausgeschnitten und per Schiff zur Anlegestelle Güstebieser Loose transportiert. Mithilfe eines Krans steckte man dort die beiden „Scherenschnitte“ ineinander.
Wie kam der Flussgott zu seinem Namen? Ob die Oder vormals als Viadrus bezeichnet wurde, war im Laufe der Zeit unter Historikern immer wieder umstritten. Sowohl Viadus fl. als auch Odera fl. bezeichnen den Lauf der Oder auf Karten aus dem 16. Jahrhundert. Seinen ältesten Beleg für diesen Namen erhielt Ernst-Otto Denk überraschend von einer altehrwürdigen Institution. Als er im Archiv des Vatikans anfragte, ob die Bezeichnung Viadrus bekannt sei, bekam er die Kopie einer Karte von 1478 zugeschickt. Auch sie nennt den Fluss bereits Viadus fl.. Der Hobbyhistoriker hat sich über Jahrzehnte mit der Geschichte des Flusses beschäftigt und sich mit Historikern wie Professor Ludwig Braun in Frankfurt/Main vernetzt. Dieser half ihm unter anderem bei der Übersetzung historischer Quellen. Auch der aus einer Oderberger Mediziner-Dynastie entstammende Professor Ludwig Kempe, der als berühmter Neurochirurg in den USA lebt, half Ernst-Otto Denk bei seinen Recherchen. Er fragte in der Amerikanischen Nationalbibliothek an, ob es zu Viadrus Unterlagen gäbe. Leider ohne Erfolg, es fand sich kein Eintrag. Gute Beziehungen pflegt der Heimatforscher zur Universität in Breslau. Dort ging er weiteren Hinweisen auf den Namen nach. Im ehemaligen Jesuitenkolleg in Breslau zum Beispiel gibt es zwei Kunstwerke mit Viadruspersonifikationen. Und selbst die Universität zu Frankfurt/Oder trägt den Begriff in ihrem Namen. Schon vor hunderten Jahren hieß sie Alma Mater Viadrina.
Heute symbolisiert Gott Viadrus den Fluss als verbindendes Element einer europäischen Landesgrenze. Der Fähranleger zum Übertritt über den Fluss scheint ein gut gewählter Platz für seinen Standort zu sein.
Bisher erschiene Episoden können Sie unter folgendem Link lesen: https://blog.oderbruchmuseum.de/category/reise-durch-die-kulturerbe-orte/
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