Simonsche Anlagen am Schweizerhaus Seelow
Die Simonschen Anlagen waren zu ihrer Blütezeit, Anfang des 20. Jahrhunderts, weitbekannt. Der Berliner Bankier Hugo Simon kaufte 1919 das Schweizerhaus, ein Ausflugslokal, mit allen dazugehörigen Gebäuden und baute die Anlage zu einem landwirtschaftlichen Mustergut um. Gleichzeitig empfing der Sozialdemokrat, Pazifist, Finanzminister und Kunstmäzen dort Freunde und Gäste aus Politik, Kunst und Kultur, bis er 1933 vor den Nationalsozialisten fliehen musste. Der Heimatverein »Schweizerhaus Seelow« bietet Ihnen Führungen an. Eine Ausstellung zeigt das Leben von Hugo Simon.
Simonsche Anlagen am Schweizerhaus Seelow
Am Schweizerhaus 1-5
15306 Seelow
Öffnungszeiten
Gelände ist frei zugänglich
Montag bis Freitag
9-14 Uhr
Ausstellung und Museumscafé
Dienstag bis Donnerstag
14-17 Uhr
Veranstaltungen
Kultur & Gastro
Jugend filmt Kulturerbe-Orte im Oderbruchder, ein Schülerprojekt der Klasse 5c aus der Grundschule Seelow im Schweizerhaus Seelow.
Nobelpreisträger und Künstler in Seelow
Ein Reisebericht von Michael Anker
Die Reise durch die Kulturerbe-Orte hält immer wieder Überraschungen bereit. Wer hätte gedacht, dass es am Rande des Oderbruchs einen Ort gibt, in dem das Who is who der Weimarer Republik ein- und ausging. Zu den Gästen des Schweizerhauses gehörten Nobelpreisträger, Künstler oder Politiker aus dem nahen Berlin. Zum Freundeskreis des Eigentümers Hugo Simon zählten unter anderem Albert Einstein, Rudolf Breitscheid, Otto Braun, Gerhard Hauptmann, Aristide Maillol, Erich Maria Remarque, Bertolt Brecht, Kurt Tucholsky, Max Liebermann, der Verleger S. Fischer oder Walter Rathenau. Max Reinhard, Max Slevogt, Else Lasker-Schüler, Tilla Dyrieux hielten sich dort ebenfalls als Gäste des Berliner Bankiers auf. Im Gästebuch des Schweizerhauses finden sich auch die Namen von Heinrich und Thomas Mann, Alfred Döblin, Franz Ullstein oder Max Pechstein. Besuchen wir also diesen besonderen Kulturerbe-Ort: Schweizerhaus mit den Simonschen Anlagen in Seelow.
Episode 16
In der Nähe der Gedenkstätte Seelower Höhen führt ein unscheinbarer Weg zum Schweizerhaus. Die unspektakuläre Anfahrt lässt nichts von dem erahnen, was sich hier an Geschichte verbirgt. Uwe Trzewik vom 2007 gegründeten „Heimatverein Schweizerhaus Seelow e.V.“ erwartet uns schon. Er wird uns durch die Anlage führen. Eine Führung mit ihm ist unbedingt empfehlenswert.
Bevor der Berliner Bankier Hugo Simon 1919 das Schweizerhaus kaufte, beherbergte das Gebäude ein Ausflugslokal mit Eiskeller, Biergarten und Konzertbühne. Simon hatte weitere Nebengebäude miterworben und kaufte zudem umliegendes Land, um ein landwirtschaftliches Mustergut zu errichten. „Hugo Simon entstammte einer jüdischen Familie, war Sozialdemokrat und Pazifist, kurzzeitig Finanzminister sowie der Gründer einer Berliner Privatbank. Er galt zudem als engagierter Kunstmäzen und nahm als Mitglied der Ankaufskommission Einfluss auf die Erwerbspolitik der Berliner Nationalgalerie. Das Schweizerhaus kaufte er als Wochenend- und Sommersitz und baute es nach seinen Vorstellungen um“, erzählt Uwe Trzewik. Simon hätte aber nur etwa 14 Jahre lang Freude an der Anlage gehabt. Im März 1933 sei Simon, nach der Machtübernahme der Nazis, über die Schweiz nach Paris emigriert. Im Oktober 1933 wurde sein Anwesen konfisziert und fünf Jahre später alle bürgerlichen Rechte aberkannt. Mit einer tschechischen Identität ausgestattet, sei er 1941 über Portugal nach Brasilien ausgereist. Hugo Simon verstarb 1950 in Sao Paulo. Sein Anwesen bei Seelow hatte er nie wiedergesehen.
Simon verband sein Interesse an Landwirtschaft mit seiner Vorliebe für Kunst und Kultur. Kunstwerke aufstrebender Künstler ließ er im Park aufstellen, zum Beispiel Renée Sintenis „Esel von Seelow“, oder Arthur Storchs Porzellanplastik „Hirscheber“. Beide Figuren stehen heute im Schweizerhaus, wobei der Hirscheber nur noch in Fragmenten existiert. Ihm wurde aber ein originales Duplikat zur Seite gestellt. „Glücklichen Umständen ist es zu verdanken, dass dieses Exemplar auf einer Kunst-Auktion erworben werden konnte“, so Heimatforscher Uwe Trzewik.
Die sogenannten Simonschen Anlagen um das Schweizerhaus entwickelte der Hausherr, gemeinsam mit dem Gartenbaudirektor Alfred Kutta, zu einem Mustergut. Es sollte dem Edelobstanbau und Gemüsepflanzungen dienen. Dazu wurden unter anderem Terrassen angelegt. „Die Simonsche Landwirtschaft umfasste eine Geflügelfarm sowie die Kaninchen-, Schweine- und Waschbärenzucht. Seine züchterischen Erfolge bei Rassekaninchen führten sogar zu Prämierungen auf der Berliner Grünen Woche“, weiß Uwe Trzewik zu berichten. Im Park sei der vergrößerte Nachbau von Goethes Weimarer Gartenhaus als Verwalterhaus für Kutta entstanden. „Im Parterre waren Wirtschaftsräume untergebracht, Kutta bewohnte die erste Etage, darüber waren bescheidene Gästezimmer untergebracht, mit denen sich auch seine hochrangigen Besucher begnügen mussten.“ Die Simonschen Anlagen hätten zudem eine Orangerie nach dem Vorbild von Schloss Sanssouci, Wohnhäuser und ein Bienenhaus für über 50 Bienenvölker besessen. Zur Stromversorgung hatte man ein Transformatorenhaus mit arkadenartigem Rundgang errichtet. Die Fundamente der Orangerie wurden wieder freigelegt, vom Bienenhaus sind nur noch Reste erhalten, während das Transformatorenhaus bereits restauriert ist.
Erst vor etwa zwölf Jahren holten die Mitglieder des Heimatvereins die Anlage aus einem 20-jährigen Dornröschenschlaf. Sie lichteten den Wildwuchs, legten Stützmauern, Pergolen und Treppen aus Naturstein frei und öffneten die alten Sichtachsen im Park. Uwe Trzewik hat alte Fotos aus dieser Zeit parat, die zeigen, welchen Kraftaufwand der Heimatverein bisher aufbrachte. Besucher können heute bei einem Rundgang über die Anlage nachspüren, wie das Gut einst ausgesehen hat. Sie sollten sich Zeit mitbringen.
Bisher erschiene Episoden können Sie unter folgendem Link lesen: https://blog.oderbruchmuseum.de/category/reise-durch-die-kulturerbe-orte/
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