Der Schwemmsandkegelweg Altranft und Erdgeschichte
Schwemmsandkegelweg
Eine Reise aus der Dorf- in die Erdgeschichte
Am Schloss Altranft – gelegen am westlichen Rand des Oderbruchs – beginnt unsere kleine Reise entlang prägender Elemente des Dorfes Altranft und seiner Umgebung.
Zwischen 1872 und 1876 ließ Graf Wilhelm Werner Georg von Hacke das Herrenhaus in Grundzügen so umbauen, wie man es heute vorfindet. Während das im Dorf üblicherweise „Schloss“ genannte Gebäude im Verlauf der Jahrhunderte Wohnsitz verschiedener Gutsbesitzer war, diente es in der Nachkriegszeit u.a. als Schule, Turnhalle und Bibliothek. Ab 1990 gab es umfassende Sanierungsmaßnahmen, bei denen die Innenräume im Gründerzeit-Stil gestaltet wurden. Das Schloss gilt als ein repräsentatives Zeugnis märkischer Adelsgeschichte. Interessant sind vor allem die historischen Schichten und Umbauten, weil sich in ihnen viele bau- und kulturgeschichtliche Spuren finden lassen. Hans Ohnesorge, ein im Dorf lebender engagierter Kulturhistoriker und Naturschützer, regte 12 Jahre nach Kriegsende 1957 die Rekonstruktion der Parkanlage an.
Wir bewegen uns weiter auf den historischen Dorfkern Altranfts mit seinen charakteristischen Kopfsteinpflasterstraßen zu.
Vom Schlosspark aus geht es die Schneiderstraße entlang zur Alten Heerstraße. Linker Hand an der Schneiderstraße befindet sich der alte Gutshof, der über eine Auffahrt erreichbar ist. Hier versammelten sich einst die verschiedensten Gewerke wie Schreinerei, Schmiede, Schlosserei und Stellmacherei. Eine Brennerei, in der aus Kartoffeln Schnaps gebrannt wurde, war ebenfalls dort zu finden. In den Ställen und Scheunen wurden Tiere gehalten und landwirtschaftliche Erzeugnisse gelagert. Auch Pferdewagen, Maschinen und Ackergeräte waren hier eingestellt. Durch das Osttor des Gutshofs führte eine Lorenbahn die schmale Gasse entlang zu den Rübenfeldern hinunter in die Bruchniederung.
Bis zur Motorisierung der Landwirtschaft waren die Dorfschmieden unverzichtbar und genossen deshalb ein hohes Ansehen. Sie fertigten Werkzeuge und Ackergeräte an, beschlugen die Pferdehufe und reparierten beinahe alles, was zerbrochen war. In Altranft gab es insgesamt vier Schmieden, eine davon hier in der Schneiderstraße. Sie ist erhalten und kann in den Öffnungszeiten des Museums besichtigt werden. Wie der Name andeutet, waren in der Schneiderstraße auch andere Gewerbe angesiedelt.
An der Alten Heerstraße, einem alten Handels- und Verkehrsweg, befindet sich der Berg-Schmidt-Hof, dessen Name auf seine etwas erhöhten Lage sowie auf den Bauern und Dorfschulzen Schmidt zurückgeht. Der ausladende Hof mit Feldsteinscheune und Wohnhaus lässt erahnen, dass es sich bei ihm um eine der wohlhabenderen Persönlichkeiten des Dorfes handelte. Nach dem Verlust ihres ursprünglichen Hofes beim Dorfbrand 1829 konnte die Familie hier einen neuen gut florierenden Hof errichten und ihn später durch eine große Backsteinscheune erweitern. Diese freien Bauern wohnten in unmittelbarer Nachbarschaft zu den weniger angesehenen Wanderarbeitern, Kossäten und Erntehelfern (den sogenannten Schnittern). Im 19. Jahrhundert ließen sich an der Alten Heerstrasse u.a. Geschäfte, Bäckereien und Kolonialwarenläden nieder, zudem entstand Wohnraum für die Grubenarbeiter, die zur Braunkohleförderung angesiedelt wurden.
Unseren Weg fortsetzend, begeben wir uns entlang der Alte Heerstraße in Richtung Bad Freienwalde bis zur nahen Kreuzung und zur Diskothek Breitengrad auf der linken Seite. Links hinter dieser ehemaligen Gaststätte, die – wie das Herrenhaus – ihre frühste Erwähnung im Jahr 1375 findet und u.a. Namen wie „Der Krug“ und „Zum Goldenen Hufeisen“ trug, befand sich wiederum eine Schmiede. Altranft war aufgrund seiner besonderen Lage ein vitales und durch vielerlei Tagwerke geprägtes Dorf.
Eine gänzlich andere Dimension offenbart die erdgeschichtliche Betrachtung, die sich nun anbietet. Dafür biegen wir in den Sonnenburger Weg ab und gehen nach der Unterführung rechts zum geologischen Lehrpfad. Vor etwa 11600 Jahren endete die Weichselkaltzeit – die letzte Vereisung, in der ein Eisschild von Skandinavien aus bis ins nördliche Mitteleuropa vorrückte. Zuvor nahmen Gletscher über einen Zeitraum von bis zu 400.000 Jahren jede Menge Sedimente und Gesteine in unterschiedlichen Größen im skandinavisch-finnischen Raum auf und transportierten diese bis nach Nord-Mitteleuropa. Mitte des 20. Jh. wurden die auf dem Lehrpfad ausgestellten Gesteine in der hiesigen Kiesgrube freigelegt und 1964 von Hans Ohnesorge unter Mithilfe einer Schülergruppe aus Altranft im ersten geologischen Lehrpfad Brandenburgs gezeigt.
Bei den Steinen handelt es sich vorwiegend um kristalline Geschiebe – teilweise über eine Milliarde Jahre alt!
Im ehemaligen Ausdehnungsgebiet der Gletscher in Norddeutschland finden sich viele dieser Gesteine in diversen Gebäuden, wie Kirchen und Befestigungsanlagen wieder. Auch in Altranft wurden neben Baustoffen wie Holz und Lehm Feldsteine zum Hausbau gebraucht.
Das Naturdenkmal „Geologischer Lehrpfad Altranft“ ist mittlerweile als geschützter Landschaftsbestandteil anerkannt. Er ist nicht nur aus geologischer und geomorphologischer Sicht interessant, sondern weist auch eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt auf. Mit 37 Brutvogelarten und 21 Gehölzarten hebt sich dieser Lebensraum vom umliegenden Kiefernforst ab.
Liste der Gesteine im Geologischen Lehrpfad nach Alfred Müldner
Um den Weg fortzusetzen, begeben wir uns am Rand des Lehrpfads nahe den Schienen in südwestliche Richtung auf den Waldweg und laufen ca. 700 m parallel zur Wohnsiedlung und zum Sonnenburger Weg. An der Kreuzung des gespurten Weges biegen wir nach links in Richtung Sonnenburger Weg ab und folgen diesem schließlich bis nach Bergthal.
Der Gutshof Bergthal beherbergte eine Schäferei, in der seit der Zeit nach dem dreißigjährigen Krieg (von 1675 bis 1945) zweitweise bis zu 2.500 Schafe vor allem zur Wollproduktion gehalten wurden. Zu dieser Zeit war die Schäferei ein ertragreiches Geschäft in Deutschland, das allerdings Mitte des 19. Jh. durch Konkurrenz aus Australien und den damit verbundenen Verfall des Wollpreises einen starken Abschwung erlebte. Nach dem zweiten Weltkrieg unterhielt die Sowjetarmee hier einen Truppenübungsplatz, der aber dennoch weiter als Schafweide weitergenutzt wurde.
Massebewegungen in Hanglagen schuf das Altranfter Trockental
Durch den Schäfereihof passieren wir am Ende ein Tor, halten uns anschließend zweimal links und folgen dem Weg am Rande der Hutelandschaft. Heute dient die Schäferei vor allem dem Naturschutz. Mit extensiver Beweidung wird die strukturreiche Offenlandschaft, die durch jahrhundertelange Nutzung entstanden ist, erhalten. Die eher nährstoffarmen, sandigen und kalkhaltigen Böden bieten den an Extremstandorte angepassten Spezialisten in Fauna und Flora einen Rückzugsort. Besonders die Avifauna als Indikator dieser Lebensräume profitiert von insektenreichen Trockenrasen. Neben den Offenlandarten Sperbergrasmücke, Steinschmätzer und Heidelerche ist mit etwas Glück auch der Wiedehopf anzutreffen. Der seltene Höhlenbrüter mit der ikonischen Federhaube hält sich hier in den Sommermonaten auf. Jedoch reagiert jene Tier- und Pflanzenwelt sensibel auf Veränderung oder Störung in ihren Lebensräumen. So sind viele einst als stabil betrachtete Arten im Rückgang begriffen. Deshalb engagiert sich auch die NABU-Stiftung in diesem Gebiet und besitzt ca. 103 ha des 572 ha großen Naturschutzgebietes, welches auch auf europäischer Ebene als FFH-Gebiet Schutzstatus genießt. Hier finden hoffentlich auch in Zukunft Braunkehlchen, Schleiereule, Karthäuser-Nelke und Violette Schwarzwurzel ein Refugium.
Nach einer Rechtskurve folgen wir weiter dem Weg und halten uns anschließend erneut links auf einer langen Gerade, die uns in die Nähe des Bahnhofs führt.
Das Oderbruch wurde aufgrund seiner landwirtschaftlichen Produktivität zu einem wichtigen Versorger für die Großstadt Berlin. Bereits 1866 begann man mit dem Bau einer Bahnstrecke von Wriezen nach Eberswalde, um eine Verbindung zum Berlin-Stettiner Eisenbahnnetz zu schaffen. Auch Altranft erlebte Mitte des 19. Jahrhunderts eine wirtschaftliche Blüte und produzierte ein hohes Güteraufkommen. Eine Haltestelle wurde hier jedoch erst 1880 auf Initiative von Graf Edwin von Hacke eingerichtet. Nahe dem Bahnhof wurde von 1838 bis 1904 zudem eine Braunkohlegrube betrieben, die jährlich bis zu 55.000 t Kohle förderte. In einer benachbarten Brikettfabrik erfolgte die Verarbeitung. Von der Braunkohleindustrie zeugen heute nur noch Bilder und die einfachen Grubenarbeiterhäuser an der Alten Heerstraße. Der Warenverkehr auf der Schiene kam zum Ende des 20 Jh. zum Erliegen. Heute verkehrt nur noch stündlich ein Personenzug je Richtung.
Wieder angelangt an der Alten Heerstraße folgen wir ihr kurz nach links, um dann direkt nach rechts in die Von-Hacke-Straße abzubiegen. Altranft wurde über die Jahrhunderte von wechselnden Gutsbesitzerfamilien bestimmt, welche einen großen Einfluss auf das Dorfleben hatten. 1536 wird Melchior von Pfuel als erster Grundherr von Altranft erwähnt. Die Adelsherrschaft der von Hackes, die über drei Generationen Entscheidungen für das Dorf trafen, dauerte 97 Jahre an. An diese schloss sich die vergleichsweise kurze, aber sehr produktive Zeit der bürgerlichen Eschenbachs an.
Auf halben Weg der Von-Hacke-Straße befindet sich auf der rechten Seite (am Rotdornweg) die „Neue Schule“. Das große weiße Gebäude wurde nach langer 36-jähriger Vorlaufzeit und Planung im Jahr 1926 fertiggestellt. Zu dieser Zeit galt es mit seiner guten Ausstattung und der interessanten Fassadengestaltung als schönstes und modernstes Schulgebäude im Kreis Oberbarnim. In den Jahrhunderten zuvor verbesserten sich die Bedingungen für Schulgänger nur langsam. Nach ihrer Arbeit auf dem Feld oder im Haushalt wurden sie oft nur von Handwerkern oder ehemaligen Soldaten in Wohnhäusern unterrichtet. Als Schulbau diente 1715 das Küsterhaus, nahe der Kirche, das als Schulbau im 19. Jahrhundert immer wieder saniert wurde, aber dennoch nur enge Räume bot. Erst der Zuzug von neuen Siedlern Anfang des 20 Jh. und der folgende Kinderzuwachs führte zum Bau der Neuen Schule, die bis 1999 genutzt wurde.
Mittelflurhaus
Wir gehen bis zum Ende der Von-Hacke-Straße und biegen nach links in Richtung Friedhof und Kirche ab. Am Friedhof lässt sich eine alte Mauer betrachten, die als Abgrenzung zum Gutshof errichtet wurde. Diese wurde aus einer Sand-Kalk-Kies-Mischung in sogenannter Mörtelstampfbauweise gefertigt – heute eine Seltenheit.
Nun können wir uns rechts in die kleine Gasse und direkt zum Anger orientieren und dann (erneut rechts) in südöstliche Richtung zum Mittelflurhaus (am Anger 20) gehen. Es ist das älteste Wohnstallhaus der Mark Brandenburg, in dem die Bewohner mit ihren Tieren zusammen unter einem Dach lebten, seine Bauzeit wurde auf das Jahr 1698 datiert. Im 17. und 18. Jahrhundert war dies ein prägender Typenbau der Halbbauern (Kossäten – deshalb auch Kossätenhaus genannt) in vielen Oderbruchdörfern. Ausgestattet mit wenig Land führten die Kossäten ein bescheidenes Leben, gingen aber vielseitigen Tätigkeiten nach, um ihr Überleben zu sichern. Mehrere dieser Häuser standen hier bis zum erwähnten Dorfbrand dicht gedrängt. Der Verzicht auf den Wiederaufbau der Mittelzeile des Angers nach dem Dorfbrand erklärt die Siedlungserweiterung an der Schneiderstraße und Heerstraße.
Auf dem Anger hinter der Kirche befindet sich ein Spritzenhaus aus dem Jahr 1862. In solchen Gebäuden wurde die Feuerwehrtechnik eingestellt, außerdem dienten die Spritzenhäuser auch als Verwahrort für festgenommene Personen.
Die Patronatskirche ist wohl das dritte Kirchengebäude an diesem Standort. Der jeweilige Grundherr war Kirchenpatron und Verwalter. Die genietete Holztür am Eingang stammt aus dem Jahr der Erbauung (1752). 1901 wurde der Kirchturm neu errichtet und 1926 spendete Carl Eschenbach eine Turmuhr. Während des 1. Weltkrieges wurden zwei der drei Glocken zur Kriegsmittelproduktion entfernt. Im Kircheninnenraum ist in einer Deckendarstellung aus dem Jahr 1906 die Himmelfahrt Christi dargestellt.
Rübenbahnbrücke
In Richtung Schloss biegen wir vor dem Schlosspark nach rechts in eine Gasse ein, die uns über die Rübenbahnbrücke auf den Hochwasserschutzdamm führt. Mittels der erwähnten Lorenbahn wurden hier entlang die Ernteerzeugnisse von den Feldern bis zum Gutshof transportiert. Der fruchtbare lehmige Boden eignete sich besonders gut für den groß angelegten Anbau von Zuckerrüben. Mit der Einführung der dieser Feldfrucht im Jahre 1832 wurde die Zuckerindustrie zu einem der bedeutendsten Wirtschaftszweige im Oderbruch. Auch Altranft besaß bis 1915 eine eigene Zuckerfabrik, die man von dieser Stelle aus bei einem Blick ins Oderbruch sehen konnte. Die Feldbahn mit den durch Ochsen gezogenen Loren verband die Fabrik sowohl mit dem Gutshof als auch mit einer Anlegestelle an der Alten Oder. Die Zuckerindustrie und die Landwirtschaft im Allgemeinen trugen maßgeblich zur Erschließung des Oderbruchs und einer Phase der Prosperität bei, die aber nur bis ins 20. Jh. andauerte. Heute ist die Zuckerrübe, obwohl sie eine wertvolle Zwischenfrucht darstellt, in den Oderbruchböden seltener anzutreffen.
Bis heute prägt die Landwirtschaft im größten besiedelten Flusspolder Deutschlands das Landschaftsbild. Entscheidend für eine stabile agrarische Nutzung ist die Beherrschung des Wassers mit Schöpfwerken, Deichen und Poldern, Stauen und Wehren und Entwässerungsgräben - eine riesige, komplexe Landschaftsmaschine.
Mit dem Blick zurück auf das Schloss endet unser Rundgang. Wir betrachten es von hier durch eine der drei angelegten Sichtachsen. Schon bei der Planung des Schlossparks im 19. Jahrhundert war es das Anliegen des Gutsherrn, das Schloss auf diese Weise in Szene zu setzen.
Übersichtskarte mit allen Weginformationen
Die Übersichtskarte finden Sie hier als pdf.
Die Route ist in einem Flyer abgedruckt, der im Oderbruchmuseum erhält ist und als Download bereit steht.
Tourendaten
Art: Wanderweg
Schwierigkeit: leicht
Gesamtlänge: 5,8 km
Dauer: 2 h
Erarbeitet von Benjamin Huster
unter Mithilfe von Dr. Gerd Lutze, Prof. Dr. Wilfried Hierold und Dr. Kenneth Anders.
Dorfkirche Altwustrow
Vom Schwarzbau zum Juwel
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22. Dezember 2024
Oderbruch Museum Altranft
Werkstatt für ländliche Kultur