Denkmalensemble Weltkriege Kienitz
In den frühen Morgenstunden des 31. Januar 1945 überschritten Truppen der Roten Armee die Oder und bildeten den ersten Brückenkopf auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Ein Vierteljahr später war der II. Weltkrieg beendet. Dieses Ereignis wurde 1970 zum Anlass genommen, eine Gedenkstätte einzurichten. Seitdem steht mitten im Ort ein russischer Panzer vom Typ T-34. Zum Denkmalensemble in Kienitz, welches zu Weltkriegs Ereignissen Auskunft gibt, gehören außerdem das Denkmal I. Weltkrieg (1914-1918), das Denkmal „Den Opfern 1939-1945“ und die Gedenk-Stele zum Brückenkopf an der Oder.
Denkmalensemble Weltkriege Kienitz
Straße der Befreiung 18
15324 Letschin OT Kienitz
Öffnungszeiten
Denkmale sind frei zugänglich
Veranstaltungen
Kultur & Gastro
Denkmalensemble Weltkriege Kienitz
Wie ein Fluss die Entwicklung und das Leben eines Ortes prägt
Kienitz ist ein Ortsteil der Gemeinde Letschin, gelegen an der Oder, am östlichen Rand des Oderbruchs, ca. 45km nördlich von Frankfurt (Oder). Der Ort gehört aufgrund seiner erhöhten Lage zu den ältesten Dörfern im Oderbruch.
Terra Chinz
Schon vor der ersten urkundlichen Erwähnung als Terra Chinz im Jahre 1234 siedelten Slaven auf dem heutigen Gebiet von Kienitz und fanden auf der Anhöhe Schutz vor den regelmäßigen Überflutungen der Bruchlandschaft. Dies beweisen Reste eines slawischen Burgwalls, auf denen die heutige Kirche steht. Weitere archäologische Funde aus der Bronzezeit wurden in der Kienitzer Gemarkung gefunden.
Der slawischer Burgwall, Zeichnung von Angelika Schulz, Kienitz-Nord
Die Trockenlegung des Oderbruchs
Kienitz war viele hundert Jahre ein Fischerdorf. Mitte des 18. Jahrhunderts machte sich Friedrich der Große, auch als der "Alte Fritz" bekannt, an die Trockenlegung des Oderbruchs. Durch den Bau eines Kanals zwischen Güstebiese und Hohensaaten wurde der Lauf der Oder um 20 Kilometer verkürzt. Die Trockenlegung hat Kienitz aufgrund seiner besonderen Lage anders geprägt als andere Altdörfer. Durch die Trockenlegung wurde aus dem einstigen Fischerdorf ein Bauerndorf, in dem die Bewohner mit Landwirtschaft und Tierzucht ihren Lebensunterhalt bestritten. Der heutige Gemeindeteil Kienitz-Nord, ehemals Amt Kienitz, entwickelte sich ab 1744 von einem Vorwerk zu einem Domänenamt. Der Agrarpionier Johann Gottlieb Koppe (1782 – 1863) übernahm die Domäne als Pächter im Jahre 1830. Auf Kienitz Amt errichtete er 1838 die erste Zuckerfabrik im Oderbruch. Es folgte ein reges wirtschaftliches Leben im Ort und neben der Landwirtschaft entwickelten sich Ort- und Siedlungsstruktur. Kienitz verfügte über Ölmühlen, Windmühlen, Schmieden, Gasthäuser, zwei Kleinbahnhaltepunkte, die bis 1966 den Anschluss an die Oderbruchbahn darstellten sowie Kindergärten und Schulen. 1875 hatte der Ort 2.267 Einwohner.
Karte von Kienietz aus dem Jahr 1841
Die Kienitzer Fähre, Ausschnitt aus einer Postkarte um 1920
Auch auf dem Wasserweg herrschte reges Treiben: Mit einer Fährverbindung über die Oder erreichte man bis 1945 den Gemeindeteil „Piese“, eine kleine Fischersiedlung in der Neumark, heute auf der polnischen Seite gelegen. Die Tatsache, dass Kienitz auf einer Anhöhe liegt, bietet bis heute bei Hochwasser einen wichtigen Vorteil: Nachdem im März 1947 zwischen Küstrin-Kietz und Reitwein der Deich brach, stand fast das gesamte Oderbruch unter Wasser. Kienitz blieb als einer der wenigen Orte verschont.
„Wir hatten beim Hochwasser 1947 zwar trockene Füße, kamen aber auch nicht weg aus Kienitz.“
- Gastwirtin Charlotte Rochlitz ("Lottchen")
- 1998
Charlotte Rochlitz 1998, Video-Still
Die Spuren des Krieges
Besondere Aufmerksamkeit wurde dem Ort mit der Bildung des Brückenkopfes am Ende des Zweiten Weltkriegs zuteil. Die Einwohner flüchteten vor den Kämpfen über das Eis der Oder in Richtung Osten. Eine unbekannte Anzahl von Flüchtlingen kam bei Luftangriffen ums Leben. Um russische Truppen zurückzudrängen, wurde Kienitz bombardiert, sodass der Ort trotz der kampflosen Einnahme zu 80 Prozent zerstört wurde. Ein Vierteljahr später, nach der Schlacht um Berlin, wurde der Krieg durch die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht beendet. Der Brückenkopf und die schweren Kämpfe im Oderbruch wurden zum Anlass genommen, 1970 in Kienitz eine Gedenkstätte einzurichten. Seitdem steht mitten im Ort ein T-34-Panzer auf einem Beton-Sockel. Dieser Panzertyp gilt als der bekannteste sowjetische Panzer des Zweiten Weltkriegs. Allein von 1940 bis 1945 sollen 56.400 Stück gebaut worden sein. Die enorme Anzahl trug maßgeblich zum Sieg der Roten Armee bei.
Ansicht der zerstörten Schule im Jahr 1946, im Hintergrund der gesprengte Kirchturm
Einweihung des Panzerdenkmals am 24.10.1970
Blick auf das Panzerdenkmal (vermutlich Anfang der 1970er Jahre)
Inzwischen ist das Panzer-Denkmal – es stammt übrigens aus den Beständen der Nationalen Volksarmee der DDR – zu einem Hotspot des bescheidenen Tourismus im Oderbruch geworden. Zum Denkmal-Ensemble in Kienitz gehören außerdem das Denkmal „Erster Weltkrieg“, das Denkmal „Den Opfern 1939-1945“ und die Gedenk-Stele an der Fährstraße, dem ehemaligen Brückenkopf an der Oder. Das Denkmal-Ensemble wird durch die Mitglieder des Kienitzer Ortsverein Heimat und Landschaft e.V. betreut. Ihr Vermächtnis ist es, die Erinnerung und das Gedenken an die Gefallenen sowie an die Leiden der Zivilbevölkerung, wach zu halten. Bereits aus dem Ersten Weltkrieg 1914-1918 kehrten viele Väter und Söhne nicht mehr in ihre Dörfer an die Oder zurück. An sie erinnert eine historische Bronzetafel – sie fielen „den Heldentod fürs Vaterland“.
Diesen Podcast hat Christine Gambke, Mitglied des Kienitzer Ortsvereins, zu den verschiedenen Denkmälern in Kienitz erstellt. Er entstand im Rahmen des Projekts "Dorfgeschichte aktivierend nutzen", durchgeführt vom Bildungs- und Begegnungszentrum Schloß Trebnitz e.V..
Dorfspaziergang
Im Projekt „Digitale Spaziergänge durch Wollup und Kienitz“ gestalteten Jugendliche aus Wollup und Kienitz im Alter von 10 bis 15 Jahren im Austausch mit älteren Einwohnern der Dörfer digitale Ortsspaziergänge.
Die Spaziergänge sind über die App „Actionbound“ verfügbar, können abgelaufen und gespielt werden. Dazu sind zwei Schritte nötig: 1. die App „Actionbound“ aus den gängigen Playstores kostenlos herunterladen und auf dem eigenen Handy installieren und dann 2. unter dem Stichwort "Kulturerbe Oderbruch" den Spaziergang finden und los geht es.
Weiteren Informationen zum Projekt findest du hier.
Nachkriegszeit, Wende und Gegenwart
Das verheerende Hochwasser im Jahr 1947 und die Tatsache, dass die Oder schließlich zu einem gut bewachten Grenzfluss wurde, blieben nicht ohne Einfluss auf das Lebensgefühl am Fluss. Ebenso prägten der gesellschaftliche Umbau und die Intensivierung und Umstrukturierung der landwirtschaftlichen Produktion nach Gründung der DDR das alltägliche Leben im Dorf.
Nach der deutschen Wiedervereinigung gab es wiederum vielfältige Veränderungen. Arbeitsplätze wurden abgewickelt. Junge Leute zogen in andere Orte. Busverbindungen wurden eingestellt. Die BewohnerInnen mussten erneut mit viel Kraft ihren Lebensraum umgestalten.
Das schwere Hochwasser im Jahr 1997 war ein weiterer Wendepunkt in der Geschichte des Dorfes. Der nach umfangreicher Deichsanierung neu entstandene Oder-Neiße-Radweg hat bis heute positiven Einfluss auf die dörfliche Entwicklung. So wandelte sich Kienitz in den letzten Jahren zu einem ruhigen Erholungsort mit einer einzigartigen Flusslandschaft, einem breit gefächerten touristischen Angebot und der Möglichkeit, Interessantes zur Geschichte zu entdecken.
Heute ist der Tourismus einer der wichtigsten Wirtschaftszweige des Ortes. Daneben existieren Betriebe im Bereich Landschaftsbau und -pflege, Transport- und Heizungsbau, Fenster- und Ofenbau oder Estrich- und Dachdeckerhandwerk.
Für ein abwechslungsreiches Dorfleben engagieren sich die touristischen Anbieter ebenso wie der Angler-, Sport-, Senioren-, Ortsverein für Heimat und Landschaft, die Kirchgemeinde Letschin-Oderbruch, die Feuerwehren und der Ortsvorstand.
Bekenntnis zur Heimat
„Ich stehe sinnend am Oderstrand,
stromauf und stromab geht mein Blick.
Und Erinnerung weht übers flache Land,
weit geh'n die Gedanken zurück.
Fast vierzig Jahre Frieden im Land;
für die Menschheit welch großes Glück!
Der eine reichte dem andern die Hand,
sie tatens mit Kraft und Geschick.
Was der eine nicht schaffte, der Freund war dabei;
so ging stetig ein Helfen und Streben.
Nicht Kanonendonner und Kriegsgeschrei –
Das Lied von der Freundschaft soll leben!
Leicht rieselt dahin der Oderstrom,
es grünt auf den Wiesen und Deichen.
Über's Wasser, so blau wie der Himmelsdom
lasst uns die Bruderhand reichen!
Lastenschiffe zieh'n auf und nieder. –
Ich möchte singen die schönsten Lieder.
Die Vöglein stimmen bestimmt mit ein.
Herrgott, ich möchte dir dankbar sein!
Menschen, erhaltet Glück und Leben.
Es wird euch kein Zweites Mal gegeben!
Herz und Liebe dem Heimatland,
meinem kleinen Kienitz am Oderstrand!“
Frida Strache
1984
Letschiner Heimatstuben
Domizil für die Heimatgeschichte
Plätzchenbacken: Knusprig, lecker, bunt
15. Dezember 2024
Oderbruch Museum Altranft
Werkstatt für ländliche Kultur